Wie sich die Schönheit des Baumes verwandelt

Einleitung

Mich freut es sehr, dass du dich für diesen Blogbeitrag interessierst. Ich will dir von dem spannenden Entstehungsprozess, „Wie sich die Schönheit des Baumes in eine dekorative Schale verwandelt“ erzählen: Wie kann aus einem uralten Walnussbaum eine dekorative Schale entstehen? Bei diesem Beitrag ist mir wichtig, den Baum in den Mittelpunkt des Herstellungsprozesses zu stellen. Können wir bei Bäumen mehr als nur das reine Holz nutzen? Vielleicht kannst auch du etwas für dich mitnehmen?

Durch einen ehemaligen Schreiner-Kollegen bin ich an einen sehr alten Nussbaum gekommen. Da Nussbaum mein absolutes Lieblingsholz ist, habe ich mich an einem herrlichen Herbsttag aufgemacht, um in voller Vorfreude die ersten Stücke des Holzes in mein Holzlager zu transportieren. 

Die Schönheit des Baumes betrachten, staunen und dankbar sein dafür

Auf der Streuobstwiese angekommen, war ich zunächst erstaunt, welche gewaltigen Ausmaße dieser Stamm hat. Da sich der Stamm an einem Stück nur schwer transportieren ließ, mussten kleinere Stammstücke gesägt werden.

Nach dem ersten Schnitt an diesem Tag schalte ich die laute Motorsäge aus und bewundere die schönen Farben des Holzbildes. Erst jetzt war mir bewusst, was für einen Schatz ich hier habe. Beim Betrachten des gewaltigen Stammes macht sich bei mir ein Gefühl der Ehrfurcht, Hochachtung und Wertschätzung breit. Der Walnussbaum hat grob geschätzt ein Alter von 90 – 100 Jahren. Der Baum stand am Wegesrand und wurde wahrscheinlich nach dem 1. Weltkrieg gepflanzt. Verrückt, hier liegt, in Jahre gemessen, ein Menschenleben vor mir. So langsam gewachsen und mit nur einem Sägeschnitt getrennt. 

Zudem zeigt sich mir hier als erster Betrachter überhaupt ein faszinierendes Holzbild – ein Wunder der Natur – ein Wunder der Schöpfung. 

Achtsamkeit beginnt da, wo ich etwas betrachte. In der Gegenwart sein, bedeutet im Moment sein und Dankbarkeit ausdrücken. Ich bin dankbar. 

Wunden des Lebens

Der Walnussbaum musste auf Grund von Kernfäule, wie auf dem Bild zu sehen ist, bedauerlicherweise gefällt werden. Das tote Holz nimmt dabei eine schwammige Konsistenz an und lässt sich dabei leicht mit den Fingern heraus pulen. Eine Wunde, die das Leben des Baumes sichtlich verkürzt. Diese Teile des Baumes sind für die Verarbeitung nutzlos und müssen im weiteren Herstellungsprozess zur Schale berücksichtigt werden.

Jedoch hat dieser Pilzbefall und die dadurch entstehenden Wunden, eine sehr positive Begleiterscheinung. Wie auf den weiteren Bildern erkennbar wird, sind es genau diese Fehler im Holzbild, die das Holz und später die Schale als ein einzigartiges Kunstwerk darstellen. Diese dauerhaften Narben sind Zeichen und Reaktionen des Baumes auf Einflüsse von außen. Haben wir nicht auch manchmal Einflüssen von außen standzuhalten? 

Wunden prägen uns, lassen uns vielleicht im Leben ein Stück verweilen, bieten aber auch die Chance, dass sie uns weiter bringen und wir uns entwickeln können. 

Einteilung des Stammes

Um den Stamm für spätere Holzarbeiten zu nutzen, muss Spannung aus dem Holz genommen werden. Hierzu teile ich die Stücke in der vertikalen Achse entlang der Markröhre. So wird ein späteres Einreißen durch Trocknung um ein Vielfaches vermieden. 

Bei den Größendimensionen des Stammes wurde mir klar, dass sehr große Schalen möglich sind. Trotzdem wurde meine Vorfreude ein wenig gedämpft, da ich die Dimensionen ein wenig unterschätzt hatte. Da selbst die Hälfte des Stammstückes ein enormes Gewicht hatte und ein Tragen unmöglich war, musste ich das Material Stück für Stück auf den Anhänger schieben. Eine sehr schweißtreibende Arbeit, da der Anhänger 30 Meter entfernt stand. 

Nach dem Auftrennen

Nach dem Auftrennen im Tangentialschnitt, der senkrecht zu den Jahresringen ausgeführt wird, zeigt sich die Schönheit des Holzes aus einer ganz anderen Perspektive. Diesen spannenden und besonderen Moment genieße ich immer wieder in vollen Zügen.Was verborgen war, kommt jetzt mit einer unglaublichen Schönheit zum Vorschein. 

Die hellen Splint- und die dunklen Kernholzbereiche werden nun noch deutlicher sichtbar. Ebenso die Kernfäule und deren Ausmaße der Zerstörung zeigen sich in diesem Arbeitsschritt. Der Duft von frisch geschnittenem Holz macht sich zunehmend breit. Das Holzbild schimmert matt in der Herbstsonne. Die Holzfärbung ist einfach wunderschön. 

Meditatives Drechseln

Zurück in meiner Werkstatt wird die Schale noch im nassem Zustand  gedrechselt. Dabei wird zunächst die Außenform und ein Fuß angedreht. Nachdem diese Arbeiten abgeschlossen sind, wird die Schale um 180 Grad gedreht und umgespannt. Jetzt lässt sich die Schale Schnitt für Schnitt von innen aushöhlen. Bei dieser Größe ist dies eine sehr zeitaufwendige, aber unwahrscheinlich meditative Angelegenheit. 

Zur Vorbereitung werden meine Werkzeuge im Schleifgerät geschärft. Gehör- und Sichtschutz wird angenehm angepasst. Die Handauflage wird auf die richtige Höhe gestellt. Ich suche die richtige Drehzahl meiner Maschine, damit sie nicht unkontrolliert vibriert. Ich lehne mich angenehm an den blauen Teil der Maschine, der Reitstock genannt wird. Die Verbindung zur Maschine ist wichtig und ich kann die weiteren Schritte kontrolliert ausführen.Nun kann es losgehen. Ich suche den Ansatzpunkt vom Schalenrand und warte bis die ersten Späne durch die Luft fliegen. Wenn alle Parameter stimmen, lässt sich ein sauberer Schnitt bis zum Schalenboden ausführen.

Es ist ein unbeschreiblich schöner und meditativer Moment, wenn die Späne sauber fließen und fliegen. Das feuchte Holz spritzt mir regelrecht gegen die Schutzscheibe meines Sichtschutzes. Schicht für Schicht und Jahr für Jahr werden abgetragen. Bei jedem neuen Ansetzen des Werkzeugs, gehe ich kurz in mich und überlege mir, wie das Holz die Form weiter vorgibt. Immer mehr komme ich in einen Zustand indem alles in einen Automatismus übergeht. Ein meditativer Moment stellt sich ein. Ich bin regelrecht gefangen im Moment. Ein Erlebnis, das man mit Trance oder „Flow“ sehr gut beschreiben kann.Der gleichmäßige Klang verrät mir, dass das Werkzeug sauber schneidet. Alle Dinge des Alltags sind weit entfernt und die Konzentration liegt nur auf dieser einen Sache. 

Wiederum beginnt pure Achtsamkeit. Ich bin hier und erlebe das Drechseln als große Freude und Zugewinn.  

Dankbarkeit, Zufriedenheit und Wertschätzung

Ich bin dankbar, dass ich die Chance habe so ein tolles Hobby auszuführen. Es gibt mir immer wieder die Möglichkeit mich auf so unterschiedliche Art und Weise weiter zu entwickeln. Der Nussbaum hat wie auch wir, so einiges in seinem Leben erlebt. Ich bin sehr dankbar, dass er nicht zu schnell verfeuertem Brennholz verarbeitet wurde, sondern, dass er eine ihm ebenbürtige Verwendung hat, die der Nachwelt sein unbeschreiblich schönes Holzbild zeigt.  

Den durch die Kernfäule verursachten Ausbruch am Schalenrand (Markröhre) habe ich ganz bewusst mit Blattgold veredelt und in Szene gesetzt. Der Fehler gehört zu dieser Schale so, wie unsere Fehler zu uns gehören. Durch den Ausbruch und das Gold hat diese Stelle eine besondere Würdigung und Wertschätzung erhalten. Auch das ist wieder ein Hinweis, dass Fehler zu unserem Menschsein gehören. Wenn wir die richtigen Lehren daraus ziehen, können wir wachsen und würdigen uns selbst. 

Ich bin dankbar, dass ich in keinem Vergleich oder Wettbewerb zu anderen stehe, dankbar, dass ich durch das Drechseln so positive Gefühle habe, dankbar, dass ich den Prozess mit dir teilen durfte, dankbar, dass ich durch das Drechseln eine enorme Zufriedenheit und Selbstliebe erfahre und dankbar, dass ich so viel mehr meine Mitmenschen sehe. Ich freue mich schon jetzt auf das nächste Mal, wenn ich wieder den Prozess begleiten darf: „Wie sich die Schönheit des Baumes verwandelt“.

Hierbei möchte ich erwähnen, dass ich grundsätzlich und auch im Sinne der Nachhaltigkeit, nur regionale Stämme verwende, die auf Grund von Alter, Baumkrankheiten oder Baumschnitten gefällt wurden.

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