Wenn Holz sprechen könnte

Restauration der St. Martin Kirche in Ettlingen

Wer zu Besuch in Ettlingen ist, sollte sich zumindest eine der drei wichtigsten Gebäude der Kreisstadt näher anschauen. Hier seien das Rathaus, Schloss und die St. Martin Kirche genannt. Letztere erfährt zur Zeit eine Erneuerung, damit das schöne Gotteshaus auch für kommende Generationen Platz findet. Was die Restauration mit der Überschrift, „Wenn Holz sprechen sprechen könnte“ zu tun hat, wird im Folgenden geklärt.

Aktuell kann man fast von allen Seiten der verwinkelten Gassen das imposante Gerüst begutachten, das die St. Martin Kirche umhüllt. Die Restauration der St. Martin Kirche ist in vollem Gange und nach dem Fortgang zu beurteilen in den Endzügen. Wer sich davor, oder im Innern der Kirche befindet, wird feststellen, dass verschiedene Bauepochen das Gebäude durchziehen. Oft unbeachtet laufen Menschen an diesem imposanten Bauwerk der Zeitgeschichte vorbei, ohne zu wissen welcher Schatz sich darin verborgen hält.

Zeitgeschichte

Von den drei oben genannten historischen Bauwerken in Ettlingen ist die Martinskirche das weitaus älteste Bauwerk. Die Kirche wird oft als Mutterkirche des Albtals bezeichnet. Das jetzige Gebäude, so wie wir es  kennen, beinhaltet verschiedene Kulturepochen der über 1000 jährigen Geschichte. 

So ist der Unterbau des Vierungsturms romanisch. Der Chor von den Ettlinger liebevoll „Chörle“ genannt und der achteckige Glockenstuhl hochgotischer Herkunft. Das Langhaus mit prächtiger Westfassade zeugen von barocker Abstammung. 

In den Jahren von 1934 – 1937 wurden anlässlich einer Kirchenrenovation im innern der Kirche die Heizungsanlage erneuert. In diesem Zuge kamen Überreste eines römischen Bades zum Vorschein. Vermutlich wurde das Bad im 2. Jahrhundert nach Christus errichtet. 

Wiederaufbau 1732 durch die Markgräfin Sybilla Augusta

Im Zuge des pfälzischen Erbfolgekrieges brannte die spätgotisch vollendete Martinskirche völlig aus. Nur durch eine private Zugabe der Markgräfin Sybilla Augusta war es möglich, den Wiederaufbau finanziell zu sichern. Die Investitionssumme lag damals bei 8000 Gulden. Der Barockbaumeister Johann Ludwig Rohrer aus Rastatt wurde mit dem Aufbau der Kirche beauftragt. Es entstand ein einschiffiges Langhaus mit einer prachtvollen Westfassade.

Gedrechselter Stift aus den Dachbalken der St. Martin Kirche

Im Zuge der Restauration war es mir möglich, an ein Dachbalkenstück genau aus dieser Zeit zu kommen. Dabei kam mir die Idee, ein Stück dieser bemerkenswerten Zeitgeschichte in Form von Nutzgegenständen zu erhalten. Bedenkt man das Wachstum der Eiche, so ist das Holzstück mindestens über 300 Jahre alt! 

In der Mitte des Balkenstücks befindet sich eine vierkantförmige Vertiefung. Darin befand sich ein eiserner Nagel den ich mit großer Vorsicht aus dem Holz löste. Ein wunderschönes Relikt der damaligen Zeit.

Durch die Faszination eines Stück Holzes kommen in mir Fragen auf

Während ich das Holzstück in meinen Händen halte und in kleinere Stücke zersäge, kommt in mir immer wieder ein Gefühl der Ehrfurcht auf. Dabei entwickelten sich bei mir unterschiedliche Fragestellungen.  

Was hat dieses Holzstück schon alles durchlebt und überstanden? Wie vielen Menschen bot dieses Material Schutz und Obhut und war Mittel- und Ausgangspunkt für religiöses Leben? Wie konnte das Holz über Jahrhunderte hinweg, bis zum heutigen Tag seine Funktion erfüllen? Faszinierend wenn man bedenkt, dass ein Großteil des Dachstuhls immer noch durch dieses Holz getragen wird. Auch das in so einem zunächst banalen Stück Holz eine Menge an handwerklicher Kunst steckt ist vielen nicht bewusst.

Zu dieser Zeit wurde der Balken von Hand mit einem Beil behauen und aus einem ganzen Stamm gefertigt. Die verwendeten Nägel wurden von Hand geschmiedet. Die viereckige Form des Nagels am Schaft, zeugt von einem Schmied der mit viel Gefühl gearbeitet hatte. Eine faszinierende individuelle Meisterleistung die in der heutigen Zeit nicht mehr vorstellbar ist.

Wenn Holz sprechen könnte

Nehmen wir einmal an, das Holz könnte sprechen. Was würde uns der Werkstoff mit auf den Weg geben? Was können wir aus der vergangenen Geschichte lernen? 

Ein erster Gedanke der in mir sofort aufkam ist die kurze Lebensdauer, mit der wir zur Zeit Baustoffe verwenden. Die Ausbeutung von fossilen und nicht regenerativen Energien ist im vollem Gange. Gerade im Zuge von Nachhaltigkeit müssen wir im Hinblick auf kommende Generationen einiges überdenken. 

Ruhe, Stille und Gebet

Die Langlebigkeit des Holzes kam meines Erachtens durch zwei Faktoren zu Stande. Die Ruhe und die Stille über Jahrhunderte hinweg, ohne dass der Mensch störend eingegriffen hat. So konnte das Holz eine schützende Patina anlegen und langsam vor sich hin – reifen. Zahlreiche alte Gebäude aus Holz überstehen mehrere Jahrhunderte bis in die heutige Zeit!

Vielleicht sollten wir gerade in diesen und in den kommenden Zeiten mehr den schützenden Raum der St. Martin Kirche aufsuchen. So können wir uns in der Ruhe und der Stille neu ausrichten und uns eine schützende Patina für die Anforderungen des Lebens anlegen lassen. In der Ruhe, Stille und Gebet (Meditation) das Wesentliche denken, danken und erbitten! Von einem zunächst banalen Stück Holz, das ich aus der Schuttmulde geborgen habe, können wir so noch einiges lernen. 

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Quellenangabe

Schallmayer, Egon 1994: St. Martin in Ettlingen; Beiträge zur Geschichte der Stadt Ettlingen Band 13. Verlag Kraft Druck und Verlag GmbH Ettlingen